Erinnerst du dich an
deinen letzten Traum?
In welchen Momenten fühlst du dich
klein? Und in welchen groß?
Worüber wunderst du dich?
Was bewunderst du?
Welche Kunstform beeinflusst deine
Art zu denken? Und welche deine
Art zu fühlen?
Wann hast du zuletzt etwas zum
ersten Mal getan?
Welcher Ort hat dich am
stärksten geprägt?
Wo befindest du dich jetzt?
Was macht dir wirklich Angst?
Hast du ein Ritual in
deinem Alltagsleben?
Wohin geht deine nächste Reise?
Bist du heute schon
stehen geblieben?
Was siehst du?
Welches Gefühl ruft die Unbeständig-
keit der Gegenwart in dir hervor?
Ist es nicht so, dass immer
irgendetwas nicht stimmt?
Meinst du, der Drang zum Weglaufen
hört irgendwann auf?
Eine persönliche Sammlung aus Fragen wird konfrontiert mit einem scheinbar kontextlosen Zusammenhang. Langsam eröffnen sich Verbindungen und Gegensätze, über die wir sprechen können. Neben den plastischen Arbeiten der Künstlerin
Una Szeemann stehend, beginnt im Juli 2016 mein Vermittlungs-Modell auf der Manifesta 11 in der Löwenbräukunst in Zürich. An diesem Platz wird ein Großteil der
institutionellen Hauptausstellung präsentiert, während ausgewählte sogenannte »Satelliten« einen jeweiligen Standort in Zürich darstellen, an welchem Begegnungen
zwischen Künstlerinnen und Künstlern mit ihren Gastgeberinnen und Gastgebern stattfanden, Spuren von Arbeitsprozessen erfahrbar sind oder weitere kollaborative
Werke aus unterschiedlichen Perspektiven zu einer Rezeption mit allen Sinnen einladen. Informative Gespräche mit Beteiligten, kulinarische Imbissy-Verkostungen, seltene Momente in der Werkstatt eines Bootsbauers oder eine ungeschönte Führung
durch die Klärwerkanlage der Stadt Zürich sind einige von vielen Optionen, die wir wahrgenommen haben.
Der »Pavillon of Reflection« zeichnet sich als drittes Format der Manifesta 11 aus und verkörpert ein ganz besonderes Scharnier während unseres Aufenthaltes in Zürich. Umringt vom Zürichsee erleben wir den Pavillon in einer faszinierenden Position, der in
einer räumlichen Offenheit zu reflektierten Pausen einlädt und gleichzeitig eine gemeinschafliche Vermittlungsplattform ist.
Die eingangs formulierten Fragen fungieren als Ausgangspunkt für eine Vermittlung, die eine besondere Art der Kommunikation ansprechen soll. Sie adressieren dich, sie bringen dich in Bewegung, setzen etwas in Gang, stören dich oder interessieren nicht. Sie fokussieren deine Erinnerungen und dein »Jetzt«. Eine Antwort brauchst du nicht, es sei denn, sie ist da. Du kannst dir die Zeit nehmen, deine Gedanken und Gefühle zu beobachten.
»… für einen Moment sehen wir uns einfach nur an.«
Spannend ist in diesem Zusammenhang die aufgezeigte Kollaboration der Künstlerin Una Szeemann mit einem Fachpsychologen sowie einem Psychotherapeuten. Die noch zum
Teil tabuisierte Thematisierung dieser Berufe bzw. deren Konnotationen seelischer Beschwerden verweisen zudem auf die Ausübung einer inneren Betrachtung.
Auf der Suche nach der Kokosnuss kann zumindest eine Verbindung festgehalten werden: Das Wort »Kokos« lässt sich über den lateinischen bzw. altgriechischen Begriff »coccus«/»kokkos« ableiten und führt zu der Bedeutung des »Kerns« oder der »Beere«.
Die künstlerischen Objekte von Una Szeemann sind nach persönlichen Gesprächen sowie nach einer Hypnose unter fachlicher Betreuung entstanden, wobei der Begriff des Samens jene »Reise« initiierte. Die daraus resultierenden Arbeiten referieren auf visualisierte Formen, welche Una Szeemann während der Hypnose reaktivierte und beschrieb. Zu sehen sind verschiedene Objekte, installativ auf unterschiedlich großen weißen Sockeln
positioniert, welche wiederum auf einem gesamten Podest in der Löwenbräukunst aufgestellt sind. Die Gegenstände verweisen auf ihre inneren Bilder, die während der Kollaboration nach außen transportiert wurden.
»Gleich als erstes fällt der blonde Haarschopf auf, zieht schon von weitem den Blick an und seine Haare sind in Bewegung, sie wellen sich und schlängeln sich um etwas, das nicht wirklich zu sehen, mehr nur zu ahnen ist.«
Die Bewegung von eigenen Erfahrungen, Prozessen, Gedanken und Standpunkten zeigt sich am stärksten durch ein Gegenüber. Das Innen und das Außen verbinden sich durch die Begegnung von Objekt, Mensch, Bild und Stimme, und zwar: in situ. Keine Texte, Bilder und Ausstellungskataloge können uns den Ort erklären, den wir nicht selbst begangen haben. Christian Jankowski, Künstler und Kurator der Manifesta 11, appelliert in seinem Einleitungstext, die Ausstellung als eine Sammlung individueller Augenblicke zu erfahren, die sich für jeden an einer anderen Stelle ereignen: »Momente, die uns selbst bestimmen,
die uns berühren, verstören oder inspirieren. Erlebnisse, die uns etwas offenbaren, was wir vorher nicht wussten.«
Somit enthüllt sich unser Motiv der Reise nach Zürich nicht nur in einem örtlichen Perspektivwechsel. Auf verschiedenen Ebenen manifestiert sich dieser grundlegend dadurch, sich einzulassen. Der aus Zürich stammende Schritsteller Max Frisch erläuterte
seine Auffassung über die Intention des Reisens so:
»Warum reisen wir? Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, dass sie uns kennen ein für allemal; damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich sei – es ist ohnehin schon wenig genug.«