Zunächst war es eine Perspektive: »Nach Zürich!« Die vierte Ausgabe der Zeitschrift »Impulse« widmet sich unterschiedlichen Kunst-Vermittlungsmodellen, die im Zusammenhang mit den Projektseminaren von Prof. Dr. Sabiene Autsch und Tim Pickartz im Sommersemester 2016 an der Universität Paderborn entstanden sind. Feld, Labor und Ausgangspunkt hierfür sollte die von Christian Jankowski kuratierte Manifesta 11 unter dem Motto »What People Do for Money: Some Joint Ventures« sein. »Nach Zürich!« war also mehr: eine Reise zur Kunst.
Durch mehrere Workshops wurden interdisziplinäre Zugänge und theoretische Grundlagen geschaffen, um für die Reise ins Unbekannte gewappnet zu sein: Kollaboration, Globalkunst, Kuratorische Praxis, Vermittlungsstrategien, Biennalisierung, etc. bildeten den thematischen Rahmen. Konkrete Informationen zur Ausstellungsinszenierung und den künstlerischen Projekten blieben jedoch rar. Dann: 5 Tage Besuch der Manifesta 11. »Nach Zürich!« wurde langersehnte Realität.
Die in dieser Ausgabe versammelten Beiträge sind mit räumlichem, aber vor allem zeitlichem Abstand »Nach Zürich» verfasst worden. Sie skizzieren ein Gefüge aus Erwartungen, Erlebnissen, aus Erfolg und Scheitern, aus Konzepten und Reflektionen einer gemeinsamen Reise. Dieses Gefüge ist bewusst in einem Status der Beweglichkeit belassen, um auch die Energie der Denk-Bewegung, die lange vor der Reise begann, sich vor Ort beschleunigte und in diesen Texten nachvollziehbar gemacht wird, zu erhalten und weiterzugeben. Keine der Vermittlungssituationen wird hier in Form eines Rezeptes oder einer Anleitung für ein Kunstwerk fixiert. Vielmehr haben wir versucht, den Reisetopos und die damit verbundene Mobilität, die Begegnungen mit Gegenwartskunst und der Stadt Zürich, aber auch die Rollen als Fremde und zugleich Eingeladene ernst zu nehmen und konzeptionell mit zu reflektieren. Auf diese Weise wurde ein Handlungswissen generiert, das sich für jede Reise, aber auch für die Kunstvermittlung als modellhaftes Wissen anbietet.

Andreas Käuser und Therese Weber sind beide zu Reisebegleitern unseres Projekts geworden und haben auf unterschiedliche Art auf die Zeit in Zürich reagiert: Zum einen in Form literarischer Notizen, in denen es um die Koppelung von Reise als Fremd- und Selbsterfahrung geht. Zum anderen mit einem Leporello, das visuelle und textuelle Reiseeindrücke in ein faltbares Heft ziehharmonikaartig zusammenfasst. Aus der Mobilität und Dynamik des Reisetopos modelliert Sabiene Autsch eine Kunstvermittlung, die von einem »Denken in Konstellationen« geleitet wird, das ein Oszillieren zwischen bislang unverbundenen Wissensbeständen eröffnet. Tim Pickartz fragt nach dem Wissen von Expertinnen und Experten außerhalb der Kunstwelt und spürt den modellhaften Bedingungen nach, dieses in den Diskurs von Ausstellungen und deren Vermittlung einzubringen. Als Rollenspiel überführt Miriam Döring das ärztliche Anamnesegespräch in ihre Vermittlung und sucht nach dem »Stich«, den das Werk seinen Betrachterinnen und Betrachtern zufügen kann. Einen solchen »Stich« versucht auch Filis Merit ihren Zuhörerinnen und Zuhörern zu versetzen, indem sie ihnen eine Reihe persönlicher Fragen mit auf den Weg durch die Ausstellung und darüber hinaus gibt. Die nachfolgenden Beiträge verorten die Kunstvermittlungsmodelle verstärkt in einem »Dazwischen« und fordern, auf die ein oder andere Art verloren zu gehen: Simone Kirchner zeigt das kreative Potential von Übersetzungen auf. Martin Brock versucht sich aus der Rolle des Kunst-Touristen zu befreien und beschreibt das Ereignishafte als ein »Auf-dem-Weg-Sein«. Geradezu konträr dazu eröffnet Elisabeth Hecker eine autoritäre Choreografie, die nur scheinbar Werk und Ausstellung affirmiert und gleichzeitig zur kritischen Reaktion auffordert. »So war es gedacht«, schreibt sie und eröffnet damit einen Moment des Scheiterns und der Ungewissheit, mit dem sich auch Jennifer Rojahn konfrontiert sieht: Sie verkehrt das eigene Gefühl der Irritation in einen Arbeitsauftrag und beschreibt, wie auch scheinbar unlösbare Konfrontationen mit Kunst im Kollektiv bewältigt werden können. Anell Bernard beschließt die Reisebewegung mit der Frage, was wäre, wenn wir niemals dort gewesen wären.
»Nach Zürich« ist schließlich auch der Moment des Innehaltens vor weiteren Reisen, Aufbrüchen, Wanderungen und »bewegenden« Ereignissen. Wir möchten uns bei den Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe der »Impulse« bedanken und hoffen, dass zukünftige Reise- und Denk- Bewegungen auch von den gemeinsamen Erfahrungen geprägt worden sind.
Sabiene Autsch und Tim Pickartz


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Beitragsbild: Foto: Simone Kirchner
Abb. 1: Fotos: Jennifer Roman und Miriam Döring.
Abb. 2 und 3: Miriam Döring.
Impressum
IMPULSE – Texte und Bilder zur Kunstvermittlung
»Nach Zürich. Kunstvermittlung als Reise zur Kunst«
4. Ausgabe, Februar 2017
Herausgegeben von Prof. Dr. Sabiene Autsch und Tim Pickartz
Mit Texten und Bildern von Sabiene Autsch, Anell Bernard, Martin Brock, Miriam Döring, Mira Falke, Elisabeth Hecker, Andreas Käuser, Simone Kirchner, Filis Merit, Tim Pickartz, Jennifer Rojahn und Therese Weber
Dank an die Universität Paderborn / Kulturwissenschaftliche Fakultät und die Universitätsgesellschaft Paderborn für die Finanzierung sowie die Teilnehmer-innen und Teilnehmer des Projektseminars